Praxischeck Kroatien

Der Investitionsstandort Kroatien belegt im regionalen Vergleich einen mittleren Platz. Kritisiert werden administrative Hürden und das komplexe Steuersystem.

Von Waldemar Lichter, Snjezana Buhin Peharec (GTAI Zagreb) | Zagreb

Eines der erklärten Ziele der kroatischen Wirtschaftspolitik ist es, für einen höheren Zufluss ausländischer Investitionen zu sorgen und die Bedingungen dafür zu verbessern. Das Land ist prinzipiell offen für das Engagement ausländischer Unternehmen, die Regierung bemüht sich, mit verschiedenen Anreizen, mehr Investoren anzuziehen. Als einen der bedeutendsten Vorteile des Standorts kann sie dabei auf die Mitgliedschaft in der Europäischen Union (EU) verweisen.

Administrative Hürden beklagt

Doch ungeachtet der in den vergangenen zwei Jahrzehnten erfolgten Reformen zur Verbesserung des Investitions- und Geschäftsklimas, stellen nach Einschätzung von Experten vor allem administrative Hürden immer noch eine große Herausforderung für Investoren dar. Das gilt für zahlreiche langwierige Genehmigungsprozeduren, die unterschiedliche Auslegung von Vorschriften je nach Region und belastende Abgaben.

Bei den Rahmenbedingungen für Geschäfte und Investitionen belegt Kroatien deshalb im europäischen Vergleich einen mittleren Platz. Das Weltbank-Ranking Ease of Doing Business platzierte Kroatien 2020 auf Rang 51 (2019: 58) von 190 Ländern. Das ist besser als Ungarn, Rumänien oder Italien, aber schlechter als die Wettbewerber in der Region Slowenien, Polen, Tschechien oder die Slowakei. Gute Noten bekommt Kroatien unter anderem bei den Faktoren grenzüberschreitender Handel und Vertragssicherheit. Besonders schlecht bewertet werden beispielsweise die Möglichkeiten für den Erhalt von Baugenehmigungen.

Beklagt werden die stark verbreitete und wenig transparente Verbindung von Politik und Wirtschaft. Beim Index der Korruptionswahrnehmung von Transparency International belegte Kroatien 2020 den 63. Platz. Das Land war damit schlechter positioniert als etwa Slowenien, die Slowakei oder Tschechien, aber besser als Ungarn.

Bewertung als Investitionsstandort im Mittelfeld der Region

Bei der Konjunkturumfrage unter Auslandshandelskammern (AHK) in Mittel- und Osteuropa von 2020 schnitt Kroatien insgesamt gesehen recht gut ab. Von 20 beurteilten Ländern belegte das Land den guten 8. Rang. Die Frage, ob es erneut als Investitionsstandort gewählt würde, wurde von 81 Prozent der befragten Unternehmen bejaht. Zwar kam es in jüngster Zeit in einigen wenigen Fällen zum Rückzug von Investoren, wie etwa von Meggle aus Osijek. Ein anderes Beispiel ist der italienische Technologiekonzern Saipem in Rijeka. Die Gründe dafür lagen jedoch eher in der Reorganisation der Unternehmen oder der Marktentwicklung, weniger dagegen in den allgemeinen Rahmenbedingungen im Land.

Positiv wird in der AHK-Umfrage vor allem die Qualität der Infrastruktur (Verkehr, Kommunikation, Energie), die Leistungsbereitschaft und Produktivität der Arbeitnehmer, die Qualifikation der Arbeitnehmer sowie die akademische Ausbildung und das Berufsbildungssystem beurteilt. Schlechte Noten bekam Kroatien vor allem für die Qualität der öffentlichen Verwaltung, das Steuersystem und die Steuerbelastung. Unterdurchschnittlich werden ferner die Transparenz bei öffentlichen Ausschreibungen, Berechenbarkeit der Wirtschaftspolitik, Bekämpfung von Korruption und Kriminalität sowie die Arbeitskosten und die Flexibilität des Arbeitsrechts bewertet.

Örtliche Administration behilflich

Ungeachtet des gemischten Bildes werden die tatsächlichen Rahmenbedingungen von ausländischen Unternehmen in Kroatien überwiegend positiv bewertet. „Bei unserer Investition hatten wir keinerlei Probleme mit nötigen Genehmigungen – weder in Belišće noch in Valpovo“, sagt Zoran Uranjek, Vorstandsmitglied bei Harburg-Freudenberger Belišće d.o.o. „Die Ausarbeitung der Projektdokumentation und die notwendigen Studien nehmen zwar ziemlich viel Zeit in Anspruch. Nachdem alles vorbereitet war, habe die Baugenehmigung in nur fünf Tagen vorgelegen.“

Gelobt wird auch der positive Beitrag der örtlichen Verwaltungen zum Investitionsprozess. „Die Gemeinden haben uns stark entlastet – unter anderem durch die Befreiung von der Zahlung kommunaler Gebühren oder beim vergünstigten Kaufpreis für das benötigte Grundstück“, berichtet Uranjek. Für die Entscheidung, in Belišće zu investieren, habe die staatliche Förderung eine eher untergeordnete Rolle gespielt. Entscheidend seien in erster Linie die bisherigen Erfahrungen mit dem kroatischen Geschäftspartner, seine Zuverlässigkeit und Arbeitsqualität gewesen.

WEF-Länderrating 2019, Kroatien (wirtschaftlicher Rang von insgesamt 141 Ländern)

Kriterien

Kroatien

Deutschland

Gesamtrang

63

7

1 Institutionen (Sicherheit, Transparenz, Recht)

77

18

2 Infrastruktur

32

8

3 Adaption von Informations- und Kommunikationstechnologien

60

36

4 Makroökonomische Stabilität

43

1

5 Gesundheit

47

31

6 Bildung und Ausbildung

69

5

7 Produktmärkte

86

9

8 Arbeitsmarkt

94

14

9 Finanzsystem

63

25

10 Marktgröße

78

5

11 Dynamik des Geschäftsumfeldes

101

5

12 Innovationsfähigkeit

73

1

Quelle: World Economic Forum (Global Competitiveness Report)

Text übernommen von: https://www.gtai.de/gtai-de/trade/wirtschaftsumfeld/bericht-wirtschaftsumfeld/kroatien/praxischeck-593086