Perspektiven für ausländische Direktinvestitionen in Kroatien

Der Tourismus steht im Fokus ausländischer Investoren. Doch auch die Industrie und Technologieunternehmen wecken immer mehr Interesse.

Von Waldemar Lichter, Snjezana Buhin Peharec (GTAI Zagreb) | Zagreb

Kaum hatte sich das jüngste Mitglied der Europäischen Union (EU) Kroatien von den schweren Krisen der 1990er Jahre erholt, da hat die weltweite Pandemie den konjunkturellen Aufbruch wieder beendet. Das Land hängt mehr als die meisten Länder in der Region vom Tourismus ab und die durch Corona ausgelösten Beschränkungen haben diesen Sektor besonders hart getroffen. Darunter haben große Teile der kroatischen Wirtschaft gelitten, weil zahlreiche wichtige Zweige, wie der Dienstleistungssektor oder die Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie direkt oder indirekt vom Tourismus abhängen.

Im Ergebnis brach das kroatische Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2020 um 8,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr ein – der Rückgang war viel stärker als im Durchschnitt der EU (6,3 Prozent). Höher war das Minus in der EU nur in Spanien, Griechenland und Malta. Dafür wird die Erholung in den nächsten Jahren – Prognosen der Europäischen Kommission zufolge – in Kroatien stärker ausfallen (2021: 5,3, 2022: 4,6 Prozent) als in der EU insgesamt (3,7; 3,9 Prozent), vorausgesetzt, dass die Pandemie überwunden wird und die Reiseeinschränkungen wieder wegfallen.

Ausländischen Investitionen wird für die Erholung von der Krise und die Modernisierung der kroatischen Wirtschaft in den nächsten Jahren eine große Bedeutung zukommen. Im Tourismussektor hat sich das Land längst als attraktives Ziel für (ausländische) Investitionen etabliert. Als Standort für Fertigung im Industriesektor oder für Aktivitäten in Forschung und Entwicklung (F&E) steht das Land dagegen mit einigen Ausnahmen noch nicht stark im Fokus potenzieller Investoren. Allerdings scheint sich auch das langsam zu ändern, wie das Engagement einiger prominenter ausländischer Unternehmen, wie etwa Porsche, zeigt.

Ein wichtigster Vorteil Kroatiens als Standort für Investitionen ist seine günstige geografische Lage als Drehscheibe zwischen Westeuropa und dem westlichen Balkan. Das ermöglicht nicht nur die Bearbeitung des kroatischen, sondern auch der größer gefassten regionalen Märkte. Die Mitgliedschaft des Landes in der EU verringert bürokratische und andere Zutrittskosten zum großen Binnenmarkt der EU. Geschätzt wird der Bildungsstand der Bevölkerung. Umfangreiche Investitionen der vergangenen Jahre haben deutliche Fortschritte in der Qualität der Verkehrsinfrastruktur gebracht.

Informationen zu Vor- und Nachteilen des Standorts bietet die SWOT-Analyse Kroatiens

Die GTAI stellt Ihnen auch Daten zu Lohn- und Lohnnebenkosten zur Verfügung.

Mietpreisentwicklung in Kroatien (in Euro pro qm/Monat) *)

Indikator

2. Halbjahr 2018

2. Halbjahr 2019

2. Halbjahr 2020

Miete jeweils für Büroraum in der Hauptstadt

  Klasse A / Spitzenmiete

12,0 / 14 bis 15

12,5 / 14 bis 15

12,5 / 14 bis 15

  Klasse B

8 bis 10

7 bis 10

7 bis 10

*) durchschnittliche EffektivmietenQuelle: Colliers International

Die ausländischen Direktinvestitionen sind seit der Unabhängigkeit und nach dem Ende des Jugoslawienkrieges 1995 schnell gestiegen. Sie erreichten 2019 nach Angaben des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) 26,2 Milliarden Euro. Mit 6.465 Euro pro Kopf der Bevölkerung lag Kroatien damit in der Region vor Polen und Rumänien. Auch im Coronakrisenjahr 2020 kam es zu keinen Abflüssen. Im 1. Halbjahr 2020 betrug der Zufluss nach Berechnungen des WIIW 597 Millionen Euro.

Das wichtigste Herkunftsland ausländischer Direktinvestitionen in Kroatien ist Österreich (Anteil 2019: 23,6 Prozent), gefolgt von Luxemburg (12,8), Ungarn (12,2; vor allem die Beteiligung des Mineralölkonzerns MOL am kroatischen INA) und Italien (10,9). Deutschland folgt an fünfter Stelle mit einem Anteil von 9 Prozent.

Am stärksten sind ausländische Investoren im Finanz- und Versicherungssektor (Anteil 2019: 24,1 Prozent) sowie im verarbeitenden Gewerbe (23,6 Prozent) engagiert. Es folgen der Handel mit 10,6, Tourismus und Gastgewerbe mit 8,2, Immobilien mit 8,0 sowie der Telekommunikations- und Informationstechnologie (IT)-Sektor mit 7,7 Prozent. Innerhalb des verarbeitenden Gewerbes am attraktivsten für ausländische Investoren waren die mineralölverarbeitende (Anteil 2019: 33,4 Prozent) und die Pharmaindustrie (13,3; vor allem Beteiligung von Teva Pharmaceuticals an Pliva) sowie die Nahrungsmittel-, Getränke- und Tabakbranche (2019: 11,7).

Der Tourismus dürfte auch in den nächsten Jahren weiter im Fokus von Investoren in Kroatien bleiben. Zu den Zielen der künftigen Wirtschafts- und Investitionsförderung der Regierung wird aber eine stärkere Diversifizierung der Wirtschaft gehören, um die starke Abhängigkeit von einem Sektor zu verringern. Ziele sind auch die Reindustrialisierung, Modernisierung und Digitalisierung der Wirtschaft sowie eine gleichmäßigere regionale Entwicklung des Landes.

Ausländische Investoren interessieren sich neben dem Tourismussektor zunehmend auch für andere Industrie- und Technologiebranchen und beteiligen sich an kroatischen Unternehmen in diesen Sparten. Beispiele sind das Engagement des weltweit führenden Anbieters von Maschinen und Anlagen für die Reifenindustrie Harburg-Freudenberger (Lübeck; Possehl Gruppe) bei einem Maschinenbauunternehmen im ostkroatischen Belišće oder der Einstieg des Porsche-Konzerns beim E-Auto-Pionier und Hersteller von Antriebs- und Batteriesystemen Rimac automobili in Sveta Nedelja bei Zagreb.

Ausländische Investoren sind inzwischen auch auf die stark expandierenden kroatischen IT-Unternehmen aufmerksam geworden. Ein prominentes Beispiel dafür ist die Übernahme des Zagreber Mobilspieleentwickler Nanobit durch die schwedische Stillfront Group für rund 135 Millionen Euro im September 2020. Auf der anderen Seite expandieren kroatische IT-Schmieden, wie das Unternehmen Infobip (Übernahme der US-Firma OpenMarket für umgerechnet 250 Millionen Euro), inzwischen selbst im Ausland. Wachsendes Interesse von Investoren dürfte in nächster Zeit auch für die rege kroatische Start-up-Szene mit Vorzeigeunternehmen wie Agrivi, Infobip oder Oradian zu erwarten sein.

Ausländische Direktinvestitionen in Kroatien (in Millionen Euro)

Indikator

2017

2018

2019

Kumulierter Bestand (Jahresende)

29.503,9

30.577,4

31.855

Nettotransfers (an ausländischen Direktinvestitionen)

444,8

1.073,5

1.277,6

Quelle: Kroatische Zentralbank
Deutsche Direktinvestitionen in Kroatien (in Millionen Euro) *)

Indikator

2016

2017

2018

Kumulierter Bestand (Jahresende)

2.670

2.848

2.918

Nettotransfers (Zunahme: +)

163

259

262

*) unmittelbare und mittelbare NettodirektinvestitionenQuelle: Deutsche Bundesbank
Größte deutsche Investoren in Kroatien (Stand: 2019)

Unternehmen

Branche

Umsatz in Mio. Euro

Hrvatski telekom (Deutsche Telekom) Telekommunikation

818,3

Lidl Hrvatska (Schwarz Gruppe) Einzelhandel

790,7

Kaufland Hrvatska (Schwarz Gruppe) Einzelhandel

524,0

Phoenix Farmacija (Phoenix Gruppe) Großhandel

290,0

DM-Drogerie Markt Einzelhandel

258,1

Quelle: Wirtschaftsmagazin Lider, Recherchen von Germany Trade & Invest

Text übernommen von: https://www.gtai.de/gtai-de/trade/wirtschaftsumfeld/bericht-wirtschaftsumfeld/kroatien/perspektiven-fuer-auslaendische-direktinvestitionen-593082