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Im Gespräch mit Domagoj Juričić, Political Risk Management Consultant

Domagoj Juričić, Kommunikations- und Strategieberater, ehemaliger Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten im Büro der Präsidentin der Republik Kroatien sowie langjähriger Berater im Bereich der Positionierung von Ländern und der Anziehung ausländischer Investitionen, erläutert in diesem Interview, wie sich Kroatien stärker auf der internationalen Bühne positionieren kann, welche Hauptchancen und Herausforderungen vor uns liegen und warum strategisches Denken, Vertrauen und Nachhaltigkeit die Schlüsselbegriffe unserer Zeit sind.

 

Persönlich & Karriere

Herr Juričić, was hat Sie ursprünglich motiviert, in den öffentlichen Dienst einzutreten und später in das Feld der internationalen strategischen Beratung zu wechseln?

Meine erste berufliche Leidenschaft galt dem Journalismus und den Medien – insbesondere dem Radio. Doch ich habe schnell erkannt, dass mich das Gestalten von Ereignissen mehr interessiert als das Kommentieren. In den öffentlichen Dienst bin ich mit der Überzeugung eingetreten, durch konkrete Veränderungen einen Beitrag leisten zu können – zunächst im Bereich E-Government, später über regulatorische Reformen bis hin zu außenpolitischen Initiativen. Über internationale Projekte habe ich dann erkannt, wie kraftvoll strategische Beratung sein kann – als Werkzeug zur Positionierung eines Landes und zur Schaffung eines investitionsfreundlichen Umfelds. Hier verschmelzen Wissen, Erfahrung und Intuition zu einem greifbaren Einfluss.

Mit welchen Herausforderungen waren Sie auf Ihrem Weg – vom Journalisten über den Staatssekretär bis hin zum Berater internationaler Investoren – konfrontiert?

Die größte Herausforderung bestand darin, die Sprache der Politik in eine Sprache des Vertrauens für Investoren zu übersetzen. Die politische und die wirtschaftliche Welt sprechen oft nicht denselben Dialekt. Zu lernen, wie man Risiken, aber auch Chancen in Begriffen erklärt, die für beide Seiten Sinn ergeben – das war eine zentrale Lektion und eine Fähigkeit, die ich über Jahre hinweg entwickelt habe.

Gab es einen besonderen Moment oder ein prägendes Erlebnis, das Ihren Blick auf Kommunikation, Politik oder die internationale Wirtschaft stark beeinflusst hat?

Ein entscheidender Moment war die Gründung der "Baltisch-Adriatischen Initiative", die später als Drei-Meere-Initiative bekannt wurde. Dieses Projekt hat mir gezeigt, welchen langfristigen geopolitischen Effekt eine Idee haben kann – vorausgesetzt, sie ist zeitgerecht und strategisch artikuliert.

Welche persönlichen und beruflichen Werte leiten Sie heute in Ihrer Arbeit als Berater und Stratege?

Vertrauen, unabhängiges Denken und intellektuelle Neugier. Kunden suchen nicht nur nach Daten – sie suchen nach Einordnung, Kontext und Rat, der auf Erfahrung beruht. Ich glaube zudem an stille Effizienz – meine Arbeit ist oft unsichtbar, aber ihre Ergebnisse sind es nicht.

Wie gelingt es Ihnen, Ihre anspruchsvolle berufliche Rolle mit dem Privatleben in Einklang zu bringen?

Ich lerne mein ganzes Leben lang, Grenzen zu setzen. Wenn man ständig in internationale Projekte und hohe Politik eingebunden ist, verliert man leicht den persönlichen Kompass. Mein Gleichgewicht finde ich durch Routinen, Lesen, Musik – und Gespräche mit Menschen, die mich jenseits aller Titel und Funktionen kennen.

Markt & Trends

Wie beurteilen Sie die aktuelle wirtschaftliche Lage Kroatiens im europäischen und geopolitischen Kontext?

Kroatien verfügt heute über stabile makroökonomische Kennzahlen, ist Teil des Euroraums und des Schengen-Raums und befindet sich im sicherheitspolitischen Rahmen der EU und der NATO. Doch all das reicht nicht, wenn wir nicht erkennen, dass wir in einer Zeit globaler Umbrüche leben. Die Geopolitik bestimmt wieder die Kapitalflüsse, und der Wettbewerb zwischen Staaten findet über kluge Positionierung statt, nicht nur über Statistiken. Kroatien hat gute Karten – aber wir müssen noch lernen, sie strategisch zu spielen und unsere Interessen klar zu definieren und durchzusetzen.

Welche Trends und Herausforderungen sehen Sie für Kroatien als Investitionsstandort in den kommenden Jahren?

Einige wichtige Trends sind absehbar: Erstens die Fragmentierung des Welthandels und der Aufstieg des „Friend-Shoring“-Modells – eine Chance für Kroatien, als „sicherer Hafen“ für Kapital innerhalb der EU zu gelten. Zweitens eröffnen Energiewende und digitale Transformation neue Investitionsfelder. Die größte Herausforderung bleibt die administrative Komplexität – Kroatien muss durch Vorhersehbarkeit glänzen, nicht durch Bürokratie.

Welche aktuellen Chancen eröffnen sich für ausländische Investoren in Kroatien – insbesondere in den Bereichen Infrastruktur, Tourismus oder Digitalisierung?

Infrastruktur bleibt ein großes Potenzial – insbesondere durch Energiekorridore und Logistikknotenpunkte im Rahmen der Drei-Meere-Initiative. Im Tourismus liegt das Augenmerk auf dem Premiumsegment und dem Gesundheitstourismus – beides verlangt nach neuen Investitionsmodellen. Die Digitalisierung bietet die Chance, das Image des Landes rasch zu wandeln – vom „Land der Sonne und des Meeres“ hin zur „Region der intelligenten Lösungen“.

Inwieweit beeinflussen geopolitische Entwicklungen, Energiefragen oder die Politik der EU Ihre strategische Arbeit?

In vollem Ausmaß. Strategische Beratung beginnt heute mit der Analyse globaler tektonischer Verschiebungen: US-China-Beziehungen, die Neubewertung der EU-Rolle, Europas Sicherheitsarchitektur, Energieautonomie und digitale Souveränität. Investoren wollen nicht nur wissen, wohin sie investieren – sondern auch, wohin sich die Welt bewegt.

Welche Rolle spielen Nachhaltigkeit, Standort-Marketing und das Image eines Landes für die langfristige Attraktivität Kroatiens?

Nachhaltige Entwicklung ist längst eine Grundvoraussetzung, kein Marketingslogan mehr. Länder, die Vorhersehbarkeit, Stabilität und ein klares Profil ausstrahlen, ziehen Aufmerksamkeit auf sich. Kroatien trägt noch das Image eines schönen, aber komplexen Landes. Es ist an der Zeit, eine Erzählung zu entwickeln, die unsere geopolitische Lage, unsere Talente und unsere natürlichen Vorteile zu einem Ganzen verbindet – zu Vertrauen.

Highlights & Erfolge

Welchen Erfolg Ihrer politischen oder beratenden Laufbahn würden Sie als den größten hervorheben?

Schwer zu sagen, da Erfolge oft das Ergebnis langjähriger Prozesse sind. Wenn ich jedoch einen wählen müsste, wäre es mein Beitrag zur Formulierung der Drei-Meere-Initiative – damals noch als baltisch-adriatische Achse. Heute hat diese Initiative institutionelles Gewicht, die Unterstützung der USA und geopolitisches Potenzial. Ich möchte an dieser Stelle das Führungsvermögen der damaligen Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović hervorheben – sie hatte großes Vertrauen in meinen Rat und musste für diese Initiative auch harte politische Angriffe einstecken. Beraten ist leicht – aber mutig ist, wer Ratschläge umsetzt, auch wenn es politisch nicht opportun ist. Heute wird die Initiative gefeiert – damals war sie ein mutiger Schritt. Ich werde ihr für dieses Vertrauen immer dankbar sein.

Gibt es ein Projekt oder eine Initiative, auf die Sie besonders stolz sind?

Ich bin stolz auf meine Arbeit am Projekt HITROREZ – der sogenannten „Regulierungsguillotine“, ein Vorläufer heutiger Projekte zur Reduzierung administrativer Hürden. Damals war dieser Denkansatz in der Gesetzgebung revolutionär. Heute, bei ähnlichen Projekten mit der OECD oder der Weltbank, weiß ich, dass Kroatien damals enorme Weitsicht bewiesen hat. Ich danke allen, die das damals erkannt und unterstützt haben.

Welche Entwicklung in Kroatien hat Sie in den letzten Jahren am meisten begeistert oder positiv überrascht?

Mich begeistert, wie sich der kroatische IT-Sektor leise, aber konsequent als neue Kraft etabliert hat. Ohne große Worte, aber mit viel Wissen und Exporten, formen kroatische Tech-Unternehmen ein neues Bild Kroatiens – eines, das nicht nur schön, sondern auch klug ist.

Gab es einen Moment, in dem Sie dachten: „Jetzt hat Kroatien wirklich einen Schritt auf der internationalen Bühne gemacht“?

Der Beitritt zum Euroraum und zu Schengen war ein formeller Meilenstein. Ebenso die Drei-Meere-Initiative, die sich als Antwort auf die heutige geopolitische Lage bewährt hat. Sie zeigt, dass ein kleines Land internationale Interessen auf den Tisch bringen kann. Zusammen mit vielen kleinen, aber bedeutsamen Fortschritten beweist das eine neue Ebene des Vertrauens und der Wahrnehmung Kroatiens.

Welches Feedback – von internationalen Partnern oder Investoren – hat Sie besonders motiviert?

Ein Partner sagte mir nach mehreren Gesprächen: „Sie verkaufen keine Illusionen, sondern ein echtes Verständnis der Realität – das ist selten.“ Da wusste ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin. In einer Welt voller Spin ist Ehrlichkeit und Klarheit von unschätzbarem Wert.

Ausblick & Zukunft

Wo sehen Sie Kroatien – oder sich selbst – in fünf Jahren im Kontext internationaler Wirtschaftsbeziehungen?

Ich glaube, Kroatien wird in fünf Jahren ein noch stärkerer Brückenbauer zwischen Mitteleuropa und dem Mittelmeerraum sein – logistisch, energetisch und intellektuell. Ich persönlich sehe meinen Beitrag in der Beratung internationaler Organisationen oder als Vermittler zwischen Unternehmens- und Politikwelt – dort, wo strategische Visionen in nachhaltige Entscheidungen münden. Mein Ziel ist kein Titel – mein Ziel ist Wirkung.

Welche globalen Trends werden Ihrer Meinung nach künftig am meisten Einfluss auf die Attraktivität von Ländern wie Kroatien haben?

Erstens: Die große Neustrukturierung der Lieferketten – Länder, die Sicherheit, Vorhersehbarkeit und Reaktionsfähigkeit bieten, werden gefragt sein. Zweitens: Die beschleunigte digitale Transformation – sie fragt nicht, ob man groß ist, sondern ob man bereit ist. Drittens: Die Neudefinition von Souveränität – Staaten konkurrieren zunehmend in ihrer Fähigkeit, unabhängige, aber klug abgestimmte Entscheidungen zu treffen.

Welche strategischen Leitlinien sollte Kroatien heute setzen, um langfristig wettbewerbsfähig und attraktiv für Investitionen zu bleiben?

Erstens: Rechtliche und regulatorische Vorhersehbarkeit sicherstellen. Zweitens: strategische Investitionen in Bildung und die Bindung von Talenten. Drittens: die Entwicklung eines klaren Narrativs darüber, was Kroatien sein will – nicht nur, wo es auf der Landkarte liegt, sondern welchen Wert es der Welt bietet. Und schließlich: Man muss aufhören, nur in Fonds und Projekten zu denken – und beginnen, strategisch über die eigene Positionierung nachzudenken.

Gibt es neue Märkte oder Sektoren, in denen Kroatien Ihrer Meinung nach ungenutztes Potenzial hat?

Absolut – geothermische Energie ist eine der am wenigsten genutzten Ressourcen. Gleiches gilt für den Bereich der grünen Industrie, wie z. B. Kreislaufwirtschaft und intelligente Landwirtschaft. Im digitalen Sektor haben wir die Chance, zu einer „Sandbox-Region“ zu werden, in der innovative Lösungen getestet werden können – vorausgesetzt, wir schaffen dafür den regulatorischen Raum.

Wie verändern Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und technologische Innovationen Ihre Arbeitsweise – und die Art und Weise, wie sich Länder positionieren?

KI ist zu meinem virtuellen Assistenten geworden – von der Analyse von Dokumenten, über das Strukturieren von Daten, bis zur Vorbereitung von Beratungsmaterialien. Oberflächlichkeit ist heute keine Option mehr. Länder, die diese Werkzeuge in ihre öffentliche Politik integrieren, werden zu intelligenteren Partnern für globales Kapital. Technologie ist heute kein bloßes Werkzeug mehr – sie ist eine neue Form von Alphabetisierung.

Tipps & Inspiration

Welchen Rat würden Sie jungen Menschen geben, die sich für internationale Beziehungen, politische Beratung oder wirtschaftliche Entwicklung interessieren?

Eilt euch nicht mit Titeln – baut Wissen, Weitblick und die Fähigkeit zu zuhören auf. Titel und Funktionen machen euch nicht zu jemandem – das müsst ihr selbst mitbringen. Ihr seid schon jemand. Wenn ihr jedoch nur Funktionen hinterherjagt, seid ihr – niemand. In den internationalen Beziehungen ist die Fähigkeit, andere zu verstehen, wichtiger als sich selbst durchzusetzen. Lernt Sprachen, lernt Menschen zu „lesen“, seid bereit, mehr zuzuhören als zu sprechen – obwohl ich zugeben muss, auch ich lerne das noch immer. Und das Wichtigste: Seid konsequent. Charakter entsteht in der Stille – und zeigt sich in der Krise.

Welche Fehler sollten Länder, Unternehmen oder politische Akteure beim internationalen Positionieren vermeiden?

Der größte Fehler ist, eine Größe vorzutäuschen, die man nicht hat – oder ein Potenzial zu verbergen, das man hat. Authentizität, Ehrlichkeit und Klarheit in der Botschaft sind heute mehr wert als Pomp und Propaganda. Außerdem: der Mangel an Kontinuität – jede Veränderung sollte keine Zäsur sein, sondern ein Aufbau. Länder, Unternehmen – und auch Menschen – brauchen eine „Strategie des Standpunkts“.

Gibt es ein Buch, einen Podcast oder eine Person, die Sie besonders inspiriert hat?

Ich habe Inspiration aus vielen Büchern geschöpft, weil ich gerne lese. Zum Beispiel: The Next 100 Years von George Friedman, das ich als Diplomat in Washington gelesen habe – die Idee einer polnisch-kroatischen Achse war damals Theorie, später habe ich daran mitgearbeitet, sie zur Realität zu machen. Von den kroatischen Autoren kehre ich oft zur Philosophie von Branko Despot zurück. Gerade lese ich das hervorragende Buch Anthro-Vision von Gillian Tett, das zeigt, wie ein anthropologischer Blick – das Beobachten von Menschen im Kontext von Kultur, Werten und unausgesprochenen Normen – Unternehmen, Regierungen und Analysten helfen kann, bessere Entscheidungen in einer komplexen Welt zu treffen. Was Podcasts betrifft: Ich höre gerne Intelligence Squared und The Ezra Klein Show.

Wie gehen Sie mit Misserfolgen oder politischem Druck um – etwa bei sensiblen internationalen Projekten?

Misserfolge sind ein natürlicher Teil jeder ernsthaften Karriere. Entscheidend ist, sie nicht persönlich zu nehmen, sondern als Feedback zu verstehen. Wenn man in der hohen Politik oder mit internationalen Institutionen arbeitet, ist der Druck konstant – aber wenn man weiß, wer man ist und warum man tut, was man tut, bringt einen so leicht nichts aus dem Gleichgewicht. Jede Krise, jeder Rückschlag, jedes Scheitern stärkt den Charakter, gibt einem die Chance für einen Neustart – und zu lernen. Natürlich sind wir Menschen, wir sind emotional, man verliert manchmal den Glauben – aber dann steht man wieder auf und macht weiter. Mit einer Narbe, aber am Leben.

Welche tägliche Routine oder persönliche Gewohnheit hilft Ihnen, fokussiert, informiert und effizient zu bleiben?

Ich beginne jeden Tag mit einem schnellen Überblick über globale Nachrichten und analytische Quellen, insbesondere über ausgewählte Beiträge auf Substack. Morgens trinke ich gerne einen Kaffee, aber frühstücke nicht. Dann geht’s direkt ins Büro – E-Mails, Kommunikation, Besprechungen. Lesen und Musik hören geben mir Klarheit zurück. Kochen ist für mich ein meditativer Akt. Ich liebe es, für Freunde zu kochen. Aber die wichtigste Gewohnheit ist für mich: Gespräche und Zeit mit Menschen zu verbringen, die mich kennen, bevor ich meine Karriere aufgebaut habe. Das erdet mich – und hält meinen Fokus auf das, was wirklich zählt.