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Im Gespräch mit Prof. Dr. Dr. Ivan Đikić, Professor and Director Institute of Biochemistry II - Goethe-Universität Frankfurt am Main

Wie entscheidet eine Zelle über Leben und Tod? Warum bleibt Krebs trotz bahnbrechender Therapien eine Herausforderung? In diesem exklusiven Interview spricht Prof. Dr. Dr. Ivan Đikić als einer der führenden Molekularbiologe über die Faszination der Zellforschung, die Rolle von KI in der Medizin, neue Hoffnungsträger wie mRNA und Immuntherapie – und was getan werden muss, damit Wissenschaft, Gesundheitssystem und junge Talente in Kroatien eine starke Zukunft haben.

Wissenschaft und Forschung

Lieber Prof. Dr. Dr. Ivan Đikić, was hat Sie ursprünglich dazu bewogen, sich mit Molekularbiologie und Krebsforschung zu beschäftigen?

Mich faszinierte, wie Zellen Schicksalsentscheidungen treffen: leben, sterben oder sich teilen. Krebs ist das komplexeste Beispiel für die Störung dieser Prozesse – und zugleich eine immense wissenschaftliche Herausforderung.

Welche Auszeichnung ist für Sie die bedeutendste und warum?

Der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis – weil er originelle Entdeckungen, langjährige Forschungsarbeit und Unabhängigkeit im wissenschaftlichen Denken anerkennt.

Welche wissenschaftlichen Entdeckungen der letzten Jahre haben Sie persönlich am meisten beeindruckt?

Die Entwicklung der Immuntherapie und der mRNA-Technologie. Beide sind Beispiele dafür, wie Grundlagenforschung in kurzer Zeit in die klinische Anwendung überführt werden kann – und beide wurden zu Recht mit dem Nobelpreis gewürdigt.

Was sind die Forschungsschwerpunkte Ihres Instituts?

Die Kontrolle lebenswichtiger zellulärer Prozesse – insbesondere die Rolle von Ubiquitinierung und Autophagie bei Krebs, neurodegenerativen Erkrankungen und Infektionen.

Wie sehen Sie die Zukunft der personalisierten Medizin?

Sie wird zunehmend zum Standard in der klinischen Praxis. Moderne Diagnostik und Therapien orientieren sich immer stärker am molekularen Profil von Tumoren und passen sich dessen Veränderungen im Verlauf der Behandlung an.

Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz in der modernen Biologie?

Eine zentrale. Von der Analyse großer Datensätze bis hin zur Entwicklung neuer Medikamente – KI ist unverzichtbar. Umso wichtiger ist es, Studierende im verantwortungsvollen Umgang mit ihr auszubilden.

Werden wir bestimmte Krebsarten heilen können?

Für einige – wie chronische myeloische Leukämie, Melanome oder bestimmte Brustkrebsarten – gibt es bereits gezielte Therapien. Der Fortschritt ist real, doch Krebs bleibt eine Herausforderung.

In welchem Bereich erwarten Sie die größten Durchbrüche?

An der Schnittstelle von Immuntherapie, Gentherapie und regenerativer Medizin. Die technologischen Fortschritte in diesen drei Disziplinen sind beeindruckend.

Krebsforschung und Gesundheit

Können Sie den Mechanismus erklären, mit dem Tumoren dem Immunsystem entkommen?

Tumoren entwickeln vielfältige Strategien, um der Immunüberwachung zu entgehen – von der Unterdrückung der Erkennung tumorassoziierter Antigene bis hin zur aktiven Immunsuppression im Tumormikromilieu. Kürzlich konnten wir zeigen, wie Tumoren zelluläre Abbausysteme manipulieren, um ihre Antigene vor Immunzellen „zu verstecken“.

Welche Bedeutung hat diese Entdeckung?

Sie eröffnet neue Möglichkeiten für Therapien, die das Immunsystem der Patientinnen und Patienten wieder aktivieren.

Welche präventiven Maßnahmen empfehlen Sie?

Nicht rauchen, gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung, Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen.

Fortschritte bei kombinierten Therapien?

Die Kombination von Immuntherapie mit anderen Therapieformen führt zu besseren und länger anhaltenden Ergebnissen.

Warum ist die Krebssterblichkeit in Kroatien so hoch?

Späte Diagnosen, unzureichende Prävention und ein ungleicher Zugang zu qualitativ hochwertiger Behandlung.

Die Rolle von Immun- und Gentherapie?

Sie sind revolutionär. Immun-Checkpoint-Inhibitoren (z. B. Anti-PD-1, Anti-CTLA4) führen zu langanhaltenden Remissionen – selbst im metastasierten Stadium. Rund 30 % der Patient:innen erzielen eine vollständige und nachhaltige Antwort. Ein weiteres Beispiel sind CAR-T-Zellen in der Behandlung von Lymphomen.

Gibt es neue Ansätze zur Früherkennung?

Ja – Flüssigbiopsien (Analyse zirkulierender DNA) versprechen eine frühzeitige und nicht-invasive Krebsdiagnose.

Wie groß ist der Einfluss von Umwelt und Lebensstil?

Enorm – über 80 % aller Krebserkrankungen stehen in Zusammenhang mit Umweltfaktoren und Lebensstil: Rauchen, Fettleibigkeit, Umweltverschmutzung, Karzinogene, Alkohol, Infektionen, Bewegungsmangel, Stress und chronische Entzündungen.

Wissenschaft und Gesellschaft

Welche Rolle sollten Wissenschaftler in gesellschaftlichen Debatten einnehmen?

Eine aktive. Wissenschaft muss klar und verantwortungsvoll kommuniziert werden – gerade auch dann, wenn Ergebnisse nicht perfekt oder vollständig sind.

Wie kann man das Vertrauen in die Wissenschaft stärken?

Durch Transparenz, gesellschaftliches Engagement, Förderung kritischen Denkens und die Verknüpfung wissenschaftlicher Erkenntnisse mit konkreten gesellschaftlichen Herausforderungen.

Wie lässt sich die wissenschaftliche Diaspora einbinden?

Durch Vernetzung und gemeinsame Plattformen für Projekte und Mentoring. Die Diaspora kann zudem die Finanzierung von Forschungsprojekten über EU-Programme unterstützen.

Wie kann man die Wissenschaft in Kroatien stärken?

Durch verlässliche Finanzierung, Abbau von Bürokratie und gezielte Förderung der Rückkehr oder Kooperation von Forschenden im Ausland.

Wie steht es um die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Industrie in Kroatien?

Sie ist noch unzureichend. Es braucht strukturelle Anreize und eine stärkere Vernetzung zwischen Hochschulen und Wirtschaft.

Warum sind Sie kein Mitglied der HAZU (Kroatische Akademie der Wissenschaften und Künste)?

Das Präsidium der HAZU hat ohne Begründung den Vorschlag von Mitgliedern der naturwissenschaftlichen Klasse abgelehnt, mich aufzunehmen. Ich konzentriere mich weiterhin auf meine wissenschaftliche Arbeit und die internationale Zusammenarbeit – etwa mit der Leopoldina, EMBO, der Amerikanischen und Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste, deren Mitglied ich bin.

Das kroatische Gesundheitssystem und die Politik

Welche strukturellen Reformen sind notwendig?

Dezentralisierung, Digitalisierung, besseres Management, mehr Transparenz und Qualitätswettbewerb. Die Finanzierung privater Kliniken durch das HZZO-Budget sollte beendet und stattdessen in die öffentliche Gesundheitsversorgung investiert werden – in Infrastruktur, Ausstattung und Personal.

Wie steht es um die medizinische Ausbildung?

Theoretisch solide, aber Studierende sind überlastet und es mangelt an praktischen Fähigkeiten.

Wie kann man junge Ärztinnen und Ärzte im Land halten?

Durch bessere Arbeitsbedingungen, faire Bezahlung und echte Aufstiegsmöglichkeiten.