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Im Gespräch mit Dirk Pollert, Hautptgeschäftsführer der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU)

Vom Syndikusrechtsanwalt zum Hauptgeschäftsführer zweier bedeutender Verbände – Dirk Pollert hat die hessische Unternehmenslandschaft maßgeblich mitgestaltet. Seit 2017 steht er an der Spitze von Hessenmetall und der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU).

Welche Herausforderungen bringt seine Führungsrolle mit sich, wie wichtig sind Netzwerke für den Erfolg der VhU, und welche Maßnahmen sind erforderlich, um Hessen als Wirtschaftsstandort langfristig attraktiv zu halten? Diese und weitere Fragen beantwortet Dirk Pollert in unserem exklusiven Interview.

Persönlich & Karriere

Sie stehen als Hauptgeschäftsführer an der Spitze der VhU. Welche Herausforderungen bringt diese Rolle mit sich?

Für mich persönlich ist „geerdete Sprechfähigkeit“ sehr wichtig. Wir entwickeln gemeinsam mit unseren 85 Mitgliedsverbänden sowie in unseren Gremien Positionen zu den branchenübergreifenden Themen und Herausforderungen, die die Breite unserer hessischen Wirtschaft betreffen. Wir haben als VhU die Wettbewerbsfähigkeit unserer hessischen Unternehmen sowie die Attraktivität unseres Wirtschaftsstandortes im Fokus. Diese Meinungsbildung fortlaufend zu bewältigen, bereitet mir große Freude.

Welche Rolle spielen Netzwerke und strategische Partnerschaften für den Erfolg der VhU?

"Um unseren Positionen Gehör und Erfolg zu verschaffen, ist der regelmäßige Austausch mit unseren Stakeholdern zu unterschiedlichen wirtschaftsrelevanten Themen insbesondere mit der Öffentlichkeit, der Politik und den Gewerkschaften elementar wichtig. Als die Stimme der hessischen Wirtschaft veröffentlichen wir jährlich zum Beispiel über 120 Pressemitteilungen und setzen uns auf jedes Podium. Wir haben Formate wie das Gesellschaftsforum entwickelt, um „vor der Bugwelle“ Diskussionen wie etwa zur Bedeutung von KI anzustoßen. Einen Überblick über unsere Arbeit in Netzwerken gibt Ihnen unsere neue Broschüre, die Sie hier online finden: https://www.vhu.de/aktuelles/publikationen-downloads"

Wirtschaft & Standort Hessen

Welche Maßnahmen sind notwendig, um Hessen als Wirtschaftsstandort langfristig attraktiv zu halten?

Es braucht sowohl in Hessen als auch im Bund ein Belastungsmoratorium – also einen klaren Stopp für neue Auflagen, auch von der EU. Bürokratie muss abgebaut, Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigt und neue Technologien mit mehr Offenheit zugelassen werden. Investitionen lohnen sich nur dort, wo Planungssicherheit und ein wettbewerbsfähiges Umfeld herrschen. Dazu zählen niedrigere Steuern, Abgaben und stabile Sozialversicherungsbeiträge unter 40 Prozent. Natürlich auch günstige und sichere Energie ebenso wie funktionierende Verkehrs- und Digitalinfrastrukturen. Und wir müssen die industrielle Basis in Hessen stärken. Nur dann bleibt Hessen insgesamt ein starker Wirtschaftsstandort.

Arbeitsmarkt & Fachkräfte

Wie wichtig sind Initiativen zur beruflichen Bildung und Qualifizierung, um dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken?

Berufliche Bildung ist einer der Schlüssel zur Fach- und Arbeitskräftesicherung. Deshalb setzen wir uns mit Nachdruck für die Stärkung der dualen Ausbildung und für bessere berufliche Orientierung an Schulen ein. Aber auch das Umfeld muss stimmen – funktionierender ÖPNV, moderne Ausstattung in Berufsschulen und gut ausgebildete Lehrkräfte. Für Beschäftige braucht es auch weiterhin praxisnahe Weiterbildung in Verantwortung der Unternehmen. Dort, wo es sinnvoll ist, sollte diese staatlich gefördert werden. Dann darf das Geld jedoch nicht in bürokratischen Förderstrukturen steckenbleiben. Ein positives Beispiel ist das neue Qualifizierungsgeld. Entsprechende Initiativen sind wichtig, damit wir das Potenzial im Inland besser nutzen und jungen Menschen gute Perspektiven in Hessen bieten können.

Welche Reformen im Arbeitsrecht oder bei der Zuwanderung würden aus Sicht der VhU helfen, die Fachkräftesituation zu verbessern?

Wir brauchen mehr Flexibilität – etwa beim Arbeitszeitrecht, beim mobilen Arbeiten und beim Einsatz älterer Beschäftigter. Die Frühverrentung ohne Abschläge setzt völlig falsche Signale. Gleichzeitig müssen Einwanderungsverfahren digital und effizient ablaufen – mit zentralen Ausländerbehörden, die zügig und einheitlich entscheiden. Wer hier bleiben will und darf, muss in den Arbeitsmarkt integriert werden. Die Fachkräftesicherung gelingt nur mit klaren Regeln, Tempo und einer Willkommenskultur, die Leistung anerkennt.

Innovationen & Transformation

Wie kann Hessen im internationalen Wettbewerb innovativer und wettbewerbsfähiger werden?

Wir brauchen eine innovationsfreundliche Politik, die uns nicht mit immer neuen Vorgaben bremst. Hochschulen und Unternehmen müssen enger zusammenarbeiten, um Ideen schneller in die Praxis zu bringen. Dafür brauchen wir mehr Investitionen in MINT-Fächer, in angewandte Forschung und in digitale Bildung. Der Staat sollte klare Rahmen setzen, sich aber aus der Umsetzung heraushalten. Entscheidend ist, dass wir Technologien nicht ideologisch ausgrenzen. Innovationskraft entsteht durch Freiheit und Vertrauen, nicht durch Misstrauen und Regulierung. Der Staat soll sich auf die Rahmensetzung beschränken, Innovation und Investitionen anregen und nicht durch Regulierung hemmen.

Nachhaltigkeit & Regulierung

Wie steht die VhU zum Thema Nachhaltigkeit? Welche Maßnahmen sind wirtschaftlich sinnvoll umsetzbar?

Nachhaltigkeit geht dann einher mit Wirtschaftlichkeit, wenn sie realistisch und umsetzbar bleibt. Dekarbonisierung durch Deindustrialisierung ist eine Gefahr für Unternehmen und Beschäftigte, kurz für unsere Gesellschaft. Wir setzen auf den EU-weiten CO₂-Zertifikatehandel, weil er die Erreichung der ökologischen Zielvorgaben garantiert und gleichzeitig marktwirtschaftlich und innovationsfreundlich ist. Nationale Sonderwege wie das deutsche Ziel der Klimaneutralität 2045 lehnen wir ab, stattdessen muss es EU-einheitliche und möglichst weltweite Regelungen geben. Denn Deutschland allein kann das Klima nicht retten. Hier, bei uns in Hessen, sollte die Priorität vor allem auf der lokalen Anpassung an die Klimafolgen liegen. Wichtig ist, dass Genehmigungsverfahren entschlackt und für die Wirtschaft realistisch umsetzbar gestaltet werden. Unser Ziel ist eine Umweltpolitik, die klare Leitplanken setzt, aber Freiraum lässt, damit Unternehmen Verantwortung übernehmen können, ohne im Dickicht der Vorschriften zu versinken.

Zukunft & Strategie der VhU

Welche wirtschaftspolitischen Weichenstellungen wären aus Ihrer Sicht notwendig, um Hessen als starken Standort zu erhalten?

Wir brauchen eine wirtschaftspolitische Kehrtwende: weg von Umverteilung, hin zu Wachstum. Das bedeutet: Steuern runter, Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur hoch, Sozialausgaben strukturieren und entsprechend der Demografie anpassen. Wer arbeitet, muss deutlich mehr im Geldbeutel haben, nur so bleibt Leistung attraktiv. Der Staat muss sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren und schneller, aber nicht größer werden. Unsere Unternehmen brauchen Vertrauen, Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Dann können sie investieren, Arbeitsplätze schaffen und den Wohlstand sichern. Nur so können wir international konkurrenzfähig bleiben. Ich hoffe zum aktuellen Zeitpunkt noch, dass die neue Bundesregierung diese dringend notwendigen Kurskorrekturen vornimmt.

Tipps & Inspiration

Wie wichtig ist es, dass Unternehmen sich in Verbänden engagieren? Welche Vorteile ergeben sich daraus?

Wer sich engagiert, wird gehört – das gilt auch für die Wirtschaft. In der VhU bündeln wir die Interessen von unseren 85 Mitgliedsverbänden, bringen sie in politische Prozesse ein und sorgen dafür, dass die hessische Wirtschaft gehört wird. Stark ist die Wirtschaft nur gemeinsam. Unsere Mitglieder profitieren vom Austausch, von exklusiven Informationen und vom direkten Draht zur Politik. Nicht nur in Krisenzeiten ist der Schulterschluss von Unternehmern und Verbänden wertvoll. Und wer mitgestaltet, gestaltet auch den Standort. Das ist eine große Chance. Netzwerke, Veranstaltungen und Fachgremien stärken zudem das unternehmerische Know-how. Und die Verbandsarbeit ist auch ein Signal gesellschaftlicher Verantwortung.

Info

Interviewpartner

Dirk Pollert

Position

Verband, Hauptgeschäftsführer

Interviewdatum

03. April 2025