CRONNECT 04/2022
CRONNECT MAGAZ IN · 4/2022 31 A n l i e g e n d übe r s enden wir Ihnen den Entwurf des BMAS eines Gesetzes „Zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn“ (Mindestlohnerhöhungsgesetz - MiLoEG). Nach diesem Entwurf soll der gesetzliche Mindestlohn zum 01.10.2022 einmalig auf einen Bruttostundenlohn von 12 Euro erhöht werden. Im Anschluss soll die Mindestlohnkommis- sion zum 30.06.2023 mit Wir- kung zum 01.01.2024 über die weitere Anpassung der Höhe des Mindestlohns beschließen. Der Entwurf ist aus Sicht der Wirtschaft stark zu kritisie- ren: Mit der Umsetzung dieses Referentenentwurfs würden Tarifautonomie und Vertrau- ensschutz schwer beschädigt. Denn dem Entwurf liegt ein falsches Verständnis von so- zialer Marktwirtschaft, der Rolle der Sozialpartner und der Frage eines „gerechten Lohns“ zugrunde. Er widerspricht den Entscheidungen der Min- destlohnkommission, die den Mindestlohn zum 01.07.2022 auf 10,45 € festgelegt hat. Die Verständigung in einer Kom- mission nach gesetzlich vor- gegebenen Kriterien dient dem Schutz der Tarifautonomie. Die Mitglieder der Kommission, Tarifvertragsparteien und Be- triebe haben auf die Bestän- digkeit der Entscheidungen der Kommission vertraut. Mit dieser Art von Gesetzgebung wird aus einer gesetzlichen Lohnuntergrenze eine staat- lich verordnete Garantie für gesellschaftliche Teilhabe, die von der Politik immer wieder neu definiert werden kann und von den Betrieben erbracht werden muss. Was der „gerechten Lohn“ für Arbeit sein kann, darauf geben in unserer Wirtschaftsordnung Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie die Sozialpartner in ta- rifautonomen Vereinbarungen die Antwort. Das war jahrzehn- telang gemeinsamer Konsens. Die Grundlage hierfür – das ge- sellschaftspolitische Prinzip der Subsidiarität – ist tief in unserer Verfassung verankert. Das hat zu differenzierten Er- gebnissen geführt, ein Abbild der komplexen wirtschaftli- chen Realität in den Betrieben. Das heißt, es gibt nicht den ei- nen „gerechten Lohn“, sondern viele und je nach Tätigkeit, Arbeitsmarktlage und wirt- schaftlicher Leistungsfähig- keit immer andere. Das ist ein Kern der Marktwirtschaft, den die Bundesregierung mit dem jetzt vorgelegten Gesetzent- wurf angreift. Es wird sich erst erweisen müssen, dass dieser Plan die bessere Lösung ist. Die kurzfristige Anhebung zum 01.10.2022 wäre für viele Unter- nehmen und Tarifverträge ein schwerer Schlag: Über hundert gemeinsam mit den Gewerk- schaften ausgehandelte Tarif- verträge sind direkt betroffen. Eine so starke Anhebung ist in keiner Tarifrunde üblich. Das setzt auch die oberen Tariflöh- ne massiv unter Druck - auch wenn die geplante Anhebung für 15 Monate Bestand haben soll. Zumindest hätte dieser Zeitraum um weitere 12 Mona- te verlängert werden müssen. o
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